Abstract: Christine Ganslmayer
Luther als Übersetzer – neue sprachwissenschaftliche Perspektiven
„Martin Luther als Übersetzer der Bibel“ gilt gemeinhin als traditioneller, gut erforschter Gegenstandsbereich, der von mehreren Generationen germanistischer und theologischer Wissenschaftler bearbeitet wurde (vgl. z.B. Wolf 1985 und mit Seyferth 2003 eine jüngere Monographie zum Thema). Im Zentrum der Forschung standen verschiedene Schnittstellen, um die Übersetzungsleistung herauszuarbeiten, wie z.B. das Verhältnis der Urtexte zur deutschen Übersetzung, das Verhältnis zwischen Übersetzungsmanuskript und Erstdruck, das Verhältnis von Erstdruck zu späteren Editionen bis hin zur Ausgabe letzter Hand, das Verhältnis zu vorlutherischen Bibelübersetzungen sowie das Verhältnis zu zeitgenössischen Bibelübersetzungen. Dabei wurden regelmäßig auch Übersetzungsstrategien und -prozesse Luthers (und seiner Mitarbeiter) auf Basis sprachlicher Analysen thematisiert, in der Regel jedoch ausgehend von jeweils autorisierten Zwischenstufen.
Im Vortrag wird ein neues Projekt vorgestellt, das mit den rekonstruierbaren Konzeptionsstufen der Bibelübersetzung die erste Bearbeitungsstufe durch Luther (und seine Mitarbeiter) in den Fokus rückt. Anhand eines Korpus der Übersetzungsmanuskripte Luthers zu verschiedenen Teilen des Alten Testaments werden neue Aspekte hinsichtlich der Genese der Bibelübersetzung ersichtlich, die mit übersetzungspragmatischen, semantischen und variationslinguistischen Fragestellungen der älteren Forschung verknüpft und durch neuere kognitive Fragestellungen ergänzt werden.
Literatur
- Seyferth, Sebastian (2003): Sprachliche Varianzen in Martin Luthers Bibelübertragungen von 1522–1545. Eine lexikalisch-syntaktische Untersuchung des Römerbriefs. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft [= Arbeiten zur Geschichte und Wirkung der Bibel 4].
- Wolf, Herbert (1985): Germanistische Luther-Bibliographie. Marin Luthers deutsches Sprachschaffen im Spiegel des internationalen Schrifttums der Jahre 1880–1980. Heidelberg: Winter [= Germanistische Bibliothek: Reihe 6, Bibliographien und Dokumentationen].