Abstract: Michail L. Kotin
Ex sola fide? Ein Beitrag zu linguistischen Aspekten der Diskussion in Luthers Sendbrief vom Dolmetschen aus der Sicht der modernen kontrastiven Linguistik
Die sprachschöpferische Tätigkeit Luthers und seiner Mitstreiter bei der Erstellung einer neuen deutschen Bibelübersetzung umfasst sowohl die eigentliche Übersetzung biblischer Texte des Neuen und später des Alten Testaments, die insgesamt etwa 30 Jahre dauerte (eine grobe Datierung ergibt die „Thesen wider den Ablass” 1517 als Anfangs- und Luthers Tod 1546 als letzte Zäsur), als auch eine Reihe von „Begleittexten”, welche das Ziel hatten, die neuen Übersetzungsprinzipien lutherisch-evangelischer Prägung zu rechtfertigen sowie die damals äußerst salienten Vorwürfe katholischer Theologen und Übersetzer zurückzuweisen, diese neuen Übersetzungen hätten den Sinn der biblischen Botschaften entschieden tangiert. Eine Sonderstellung nahm hier Luthers bekannter „Sendbrief vom Dolmetschen”, verfasst am 8. September 1530, ein, der in der Tradition apostolischer Sendbriefe, vor allem von Apostel Paulus, geschrieben wurde und eine inhaltlich wie sprachlich äußerst zugespitzte Polemik mit katholischen Theologen enthielt. Theologische Argumente sind in dieser Streitschrift mehrfach mit philologischen bzw. linguistischen verzahnt, wobei Luther ausgehend von einigen Fallbeispielen, vor allem vom später berühmt gewordenen sola fide-Diskurs, Generalisierungen vornimmt, die nach seiner Überzeugung eine grundsätzliche Wende bei Übersetzungspraktiken sakraler Texte herbeiführen mussten. In der Tat hat sich gerade die lutherische Übersetzungstradition, u.a. dank ihrer Übernahme in den Druckereien reformierter Fürstentümer weitestgehend durchgesetzt, sodass selbst katholische Bibelausgaben bis hin zur modernen Einheitsbibel unter einem starken Einfluss derselben gestanden haben. Im Referat wird zunächst das sola fide-Problem aus der Sicht der modernen kontrastiven Linguistik und Textforschung angegangen, woraufhin am Fallbeispiel der „(sola) fide”-Stellen in vor- und nachlutherischen Bibelausgaben verfolgt wird, ob Luthers Vorschlag sein Ziel erreicht hat, eine „genauere” Übereinstimmung mit dem Originaltext zu gewährleisten.
Literatur
- Arndt, Erwin (1962): Luthers deutsches Sprachschaffen: Ein Kapitel aus der Vorgeschichte der deutschen Nationalsprache und ihrer Ausdrucksformen. Berlin: Akademieverlag.
- Besch, Werner (2014): Luther und die deutsche Sprache. 500 Jahre deutsche Sprachgeschichte im Lichte der neueren Forschung. Berlin: Erich-Schmidt-Verlag.
- Beutel, Albrecht (2006): In dem Anfang war das Wort. Studien zu Luthers Sprachverständnis. 2., unveränderte Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck [= Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 27].
- Knott, Marie Luise/Brovot, Thomas/Blumenbach, Ulrich (Hgg.) (2015): Denn wir haben Deutsch: Luthers Sprache aus dem Geist der Übersetzung. Berlin: Mathers und Seitz.
- Schneiders, Hans Wolfgang (2012): Luthers Sendbrief vom Dolmetschen – Ein Beitrag zur Entmythologisierung. transkom 5/2, 254-273.
URL: http://www.trans-kom.eu/bd05nr02/transkom_05_02_04_Schneiders_Luther.20121219.pdf (letzter Zugriff: 11.11.2016).