Abstract: Peter Wiesinger
Zwei Varietäten der deutschen Schriftsprache durch Konfessionalisierung im 16. und 17. Jahrhundert
In Sprachgeschichten wird für das 16. und 17. Jahrhundert nur eine einzige, auf Luther zurückgehende ostmitteldeutsch bestimmte Form der deutschen Schriftsprache und ihre Weiterentwicklung beschrieben. Diese Vorgangsweise ist jedoch teleologisch auf die Zeit seit der Mitte des 18. Jahrhunderts gerichtet, als sich im gesamten deutschen Sprachraum eine allgemein verbindliche Schriftsprache durchsetzte. Damit wird aber für das 16. und 17. Jahrhundert vor allem der bayerisch-österreichische Raum ausgeschlossen. Wo dort die Reformation eingedrungen war, wurde sie seit der Mitte des 16. Jahrhunderts durch die Gegenreformation sukzessive zurückgedrängt. Diese religiösen Bewegungen blieben nicht ohne Einfluss auf die Schriftsprache, die konfessionalisiert wurde. Während im protestantischen Mittel- und Norddeutschland die ostmitteldeutsche Form galt, behauptete sich im katholischen Südosten die an der Kanzleisprache Kaiser Maximilians I. ausgerichtete heimische Form weiterhin, so dass sich eine protestantische und eine katholische Varietät der Schriftsprache bildeten. Vor allem durch wandernde Setzer und Drucker kam es im Buchdruck des Südens jedoch zu nördlichen Einflüssen, so dass die Eigenständigkeit der katholischen Varietät bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts abnahm. Dagegen behauptete sie sich im privaten Schrifttum umso stärker. Wie sich beide Varietäten der Schriftsprache unterscheiden, wird an einschlägigen Beispielen gezeigt werden.